eingestellt am 27.06.2010

Frau Vogt hat mit einem Postbrief geantwortet, freundlich und sachlich. Sie hat die Erlaubnis gegeben, ihren Brief unter diesem Memory 12 zu veröffentlichen. Siehe unten.

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Siegfried Busch
Königsberger Str. 23
72116 Mössingen
Tel. 07473-6772
post@siegfried-busch.de
http://www.s21.siegfried-busch.de

04.06.2010
An SPD
Frau Ute Vogt
Wilhelmsplatz 10
70182 Stuttgart

Offener Brief - Memory 12


Sehr geehrte Frau Vogt,

mir wurde ein Schreiben von Ihnen überlassen, auch zur Weitergabe.
Ihre Ausführungen haben mich veranlasst, auch Ihnen ein „Memory“ *) zukommen zu lassen. Die Memorys Nr.1 bis 11 finden sich auf meiner Website
http://www.s21.siegfried-busch.de
Meine Erwiderungen habe ich blau unter Ihren Originaltext eingefügt.

*) „Memory“ ist ein bekanntes Kinder- und Gesellschaftsspiel. Es geht dabei um „aufdecken und merken“. Bemerken und aufdecken nämlich, was von den Planern und Befürwortern bei S 21 verschwiegen, geschönt oder falsch dargestellt wird.

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Sehr geehrter Herr ….

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 4. Mai zu Stuttgart 21.
Meine große Anerkennung Frau Vogt, dass Sie sich die Mühe einer ausführlichen Antwort gemacht haben (das Büro Drexler hat bisher auf alle Anfragen oder Mitteilungen nicht reagiert).

Meine Haltung zu Stuttgart 21 ist allerdings eine positive.
Sie bekennen eindeutig Farbe und flüchten sich nicht in die Politiker-Sprache der Mehrdeutigkeiten und Worthülsen. Das verdient Respekt.

Es wird Verbesserungen für den Verkehr in allen Richtungen geben: Schnellere Verbindungen auf dem Weg quer durch Europa (auch wichtig für das ganze Land) und erhebliche Verbesserungen für den Regionalverkehr in der Region.
Woher wissen Sie das? Dies wird nämlich in Gutachten erstrangiger unabhängiger Fachleute und Wissenschaftler bestritten und „umgekehrt wird ein Schuh draus“.

Dass ein derart wichtiges und großes Vorhaben teuer ist, ist nicht von der Hand zu weisen, aber Fakt.
Das Vorhaben ist nicht „wichtig und groß“, sondern entbehrlich und eher größenwahnsinnig.



Überdies verteilt sich die Investitionssumme auf rund 10 Jahre.
Die „finanzierte“ Investitionssumme beträgt grob geschätzt weniger als die Hälfte der tatsächlichen Kosten. Die Bauzeit von „10 Jahren“ würde erheblich länger bis verdoppelt werden. Kennen sie die Elbphilharmonie?

Ich gehe davon aus, in 20, 30 Jahren sind alle froh, dass man den gordischen Knoten der Stuttgarter Kessellage entflechten konnte.
Der jetzige Bahnknoten samt Kopfbahnhof ist kein „gordischer Knoten“, den man durchhauen müsste, sondern eine anerkannte Leistung württembergischer Eisenbahningenieure, die heute noch bestens funktioniert und dies auch in Zukunft tun könnte. Natürlich könnten Optimierungen und technische Erneuerungen die Leistungsfähigkeit steigern.

Baden-Württemberg 21 ist ein Langzeitprojekt, eine Investition in die Zukunft.
Das sind Behauptungen, die mit guten Gründen bestritten werden. Der Ingenhoven-Bahnhof könnte hingegen der Engpass werden, der die gute Zukunft der Eisenbahn verbaut oder zumindest unglaublich erschwert.

Seit weit mehr als 15 Jahren ist das Projekt in Planung. Ursprünglich war alles mögliche angedacht: Ein außerhalb liegender Bahnhof, z.B. auf dem Cannstatter Wasen. Dann die Idee, nur zwei Gleise unterirdisch zu legen. Irgendwann entwickelte sich daraus das Konzept, alle Verbindungen unter der Stadt hindurch laufen zu lassen. 
Die Idee, die Stadt aus dem Blickfeld der Zugreisenden zu nehmen, ist sehr, sehr schlecht. Oben bleiben!

Seit zehn Jahren sitzen Hunderte Verkehrsplaner der Bahn an der Ausarbeitung der Pläne
Wie unvollkommen dieses Bemühen ist, wird an den aufgewiesenen Mängeln deutlich. Bereits die Planungen der vorbereitenden Maßnahmen sind mit der annähernden Verdoppelung von Kosten und Bauzeit desaströs! Dass „hunderte“ Fachleute seit 10 Jahren planen, kann ich jedoch positiv sehen: Arbeitsplätze wurden geschaffen.

(die Bahn ist Hauptträger des Vorhabens, sowohl, was das Bahngelände angeht, als auch was die Finanzierung angeht). 
Das ist nun ganz falsch: die Bahn-AG übernimmt zwar Planung und Bauleitung, die Finanzierung aber nur zum kleineren Teil. Besonders krass bei der Neubaustrecke: hier löhnt das Land (bei Baukosten von geschätzt 5 Milliarden) rund 1 Milliarde, der Bund 4 Milliarden. Die Bahn-AG lässt es sich gar ganz bezahlen. Zum „Bahngelände“: zumindest der Schlossgarten ist kein Bahngelände. Dass das Land mit Billigung der Stadt Stuttgart dieses „Gelände“ der Bahn zur Verfügung stellt (über die Kosten für die Bahn erfährt man nichts), wird durch weniger wertvollen Flächengewinn nicht aufgewogen.

Und wenn Sie mich fragen - ich finde, dass die Pläne sehr gut sind und von Jahr zu Jahr immer klarere Konturen annehmen.
Haben Sie sich die Mühe gemacht, von der Presse Mängel, Probleme und Risiken zu erfahren? Von „Jahr zu Jahr“ wird deutlicher, dass es unverantwortlich ist, dieses Projekt Stuttgart 21 weiter zu verfolgen.

Das Projekt wurde nicht erfunden, um Immobilien wirtschaftlich zu vermarkten. 
Wissen Sie denn nicht, dass ursprünglich die Finanzierung des Projekts im Wesentlichen durch Immobiliengrundstücke erfolgen sollte? Dass der Rechnungshof S 21 in erster Linie als städtebaulich motiviert qualifiziert hat?

Es geht nicht nur um die Neubaustrecke und die Tieferlegung des Bahnhofs. Letzteres ist als Baustein nötig, um die Streckenführungen zu verbessern und dies vor allem - hier der Nutzen für die Stuttgarter und die Region Stuttgart - um eine Art Ringschluss um Stuttgart herum zu schaffen, der weitaus tragfähiger sein wird, als es bis jetzt der Fall ist.
Sie übernehmen wieder die Behauptungen der Projektplaner. Die stimmen aber nicht, wie - für die interessierte Bevölkerung sehr nachvollziehbar - diverse Gutachter überzeugend dargelegt haben.

Stuttgart 21 wurde entwickelt, da auch angesichts der vorausgesagten Zunahmen im PKW- und LKW-Verkehr dringend etwas getan werden musste.
Stuttgart 21 bringt die erhoffte Entlastung nicht besser als z.B. die vorgeschlagene Alternative K 21. Zumindest der LKW-Verkehr wird für viele Jahre durch den Bauverkehr in Stadt und Land stark zunehmen.

Und zwar eine Lösungsvariante, die für viele Jahrzehnte Bestand hat.
Das bleibt leider eine schiere Wunschvorstellung.

Warum sich ausgerechnet die Grünen derart massiv dagegen sperren, auch in 20, 30 Jahren noch eine tragfähige Lösung zu haben, mit der täglich weitaus mehr Menschen den öffentlichen Personenverkehr nutzen können als heute, wird mir ein Rätsel bleiben.
Lesen Sie doch mal auf der Website der Grünen nach.

Das Modell "Kopfbahnhof 21" bietet im Kosten-Nutzen-Verhältnis bei weitem nicht so viel wie Stuttgart 21. 
Haben Sie sich da wirklich sachkundig gemacht?

Selbst der Erhalt des jetzigen Zustandes würde in die Milliarde(n) gehen, denn der gesamte Unterbau der Gleisanlagen ist marode.
Die Bahn hat im Blick auf S 21 alles verlottern lassen, gucken Sie sich nur mal den stolzen Bonatzbau an. Mit „marode“ übernehmen Sie die Vokabel Ihres politischen Widersachers Oettinger. Fehlt nur der „Hüttenkruscht“.

Zur K 21 gehört ebenfalls ein großer Flächenverbrauch,
Rund 75% der Flächen von S21 werden auch bei K21 frei, aber die stadtklimatischen, denkmalspflegerischen und reisefreundlichen Qualitäten bleiben dafür ganz erhalten.

ebenfalls Tunnelbauten
richtig! aber nur etwa 1/3 der Gesamtlänge und beim Filderaufstieg nicht durch Gipskeuper führend

und dazu wuchtige Brücken über das Körschtal.
Sie zeigen sich da ungenau informiert, das ist die Masche von Propagator SSB-Arnold.

Was die Gegner von S 21 übrigens gerne verschweigen, ist, dass Preissteigerungen bei Bauvorhaben auch für K 21 gelten.
Das stimmt natürlich, aber egal wie hoch: die Kosten von K21 bleiben bei rund einem Drittel von S21, weil es eben nur ein Drittel Tunnellänge gibt und keine neuen Bahnhöfe benötigt werden.


Ich gebe Ihnen in dem Punkt recht, dass über 60.000 Unterschriften zu viel sind, um arrogant darüber hinwegzugehen. Eine Befragung der Bürgerschaft hätte allerdings bereits vor vielen Jahren stattfinden müssen, jedenfalls vor Unterschrift der Verträge.
Die Unterschriften die Verträge erfolgten überfallartig und merkwürdig konspirativ.

Wie Sie wissen, ist ein Bürgerentscheid im rechtlich bindenden Sinne gar nicht möglich. Aber eine Befragung mit Selbstbindung des Gemeinderats hätte sicher dafür gesorgt, dass heute der Ärger und die Verbitterung vieler Bürgerinnen und Bürger nicht in dem Maße vorhanden wären. 
Danke für diese Feststellung. Danke! Das ist sehr richtig! Das Kapitel Bürgerentscheid gehört zu den dunkelsten Punkten des Projekts und hat OB Schuster dauerhaft in seinem Amt beschädigt

Die jetzige Vertragslage ist aber bindend für alle Partner – daran würde eine Bürgerumfrage nichts ändern, sondern würde den Bürgerinnen und Bürgern nur weiter Sand in die Augen streuen.
Sie unterschätzen den Willen der Bürgerschaft, die sich genasführt fühlt von einem abgehobenen OB Schuster und einem wirtschaftlich verbandelten Ministerpräsidenten Oettinger.

Ein großer Gewinn für die Stuttgarter ist ein neues Stadtgebiet statt der bisherigen Gleisfläche. Da wird keine "Heimat kaputt gemacht". Wem ist denn ein Gleisfeld, das die Stadt trennt, Heimat?
Mit Verlaub, mir! So wie ein Fluss für die Anrainer Heimat ist (auch wenn Überschwemmung droht) oder eine Meeresküste, so ist für die Stuttgarter das Gleisfeld mit seinem lebendigen Zugverkehr Heimat. Die Stadt trennt? Welche, wo und wann? Das ist historisch ganz verquer. Gucken Sie mal bei den „21 guten Gründen“ für Stuttgart 21 bei http://www.s21.siegfried-busch.de, wo diese Propaganda angesprochen wird.
Für die heimatnahen Bahnnutzer kommt hinzu, dass bei S21 ihre „Heimat“ unsichtbar wird und im Untergrund verschwindet. Die „weichen Faktoren“ bei Erhalt von Bau und Funktion des Kopfbahnhofs wiegen weit mehr als wenige Minuten Fahrzeitgewinn durch einen engen Kellerbahnhof.
Man muss aufpassen, dass die neuen Viertel gut werden und dabei wird die Bürgerbeteiligung fulminant wichtig sein - was wollen wir dort? In welcher Mischung? Eine Riesenchance unter anderem für Wohnungsbau.
Am neuen Bankenviertel kann man die Bürgerbeteiligung studieren: wo war sie? Es sind doch die „Investoren“, die bestimmen, diktiert durch die horrenden Baulandpreise. Die offerierte „Bürgerbeteiligung“ ist doch nichts als Augenwischerei, um den aktuellen Druck aus dem (Bürger-) Kessel zu nehmen. Wo ist denn der versprochene Wohnungsbau auf A1 geblieben? Seit 10 Jahren vergebliches Warten. Nur die öffentliche Hand (Bibliothek) oder die Finanzwirtschaft investiert!
Das Gelände erhält keine neuen meterhohen Wälle - im Gegenteil: es wird nivelliert und dadurch sogar flacher.
Lesen Sie mal das Memory 1 „Der Wall“. Radeln oder joggen Sie durch die Platanenallee. Der Wall stört nicht - er beschützt den Schlosspark.
Gefällte Bäume werden ersetzt. Der Grünanteil wird höher sein als auf dem jetzigen Gleisgelände.
Gleisgelände? Ja sicher! Aber insgesamt? Auch auf den 75% der S21-Fläche könnte der Grünanteil erhöht werden. Denken Sie auch bitte an die Funktion des Gleisfelds für das Stadtklima, für die Belüftung der Stadt. Anstelle des Gleisfelds tritt bei S21 eine Hochbebauung „ab 6 Stockwerke“ mit der ganzen Betonmasse, die sich in den zunehmend heißen Sommern aufheizt. Ist das attraktiv für „Wohnbebauung“?
Und überlegen Sie doch einmal, ob der Bonatz-Bahnhof, wenn er auch von der Rückseite begehbar sein wird, als solitäres Schmuckstück sogar besser erlebbar sein würde? Leider gehen derlei Gedanken in der weiter anhaltenden Diskussion um die Grundfrage verloren.
Das ist ein sehr sympathischer Gedanke, vielen Dank, Frau Vogt. Der Torso des Apoll ist auch schön, aber der Apoll von Belvedere ist eben vollkommener als nur sein Torso. Ihre Überlegung Richtung Torso als Schmuckstück ist reizvoll aber letztlich absurd.
Nur sind in der Frage, ob das Projekt umgesetzt wird, die Würfel schon gefallen. Jetzt gilt es, die neue Situation ins Auge zu fassen.
Nein, nein, Frau Vogt! Demokratisch beschlossen worden ist nur das Projekt von vor 10 und mehr Jahren. Das heutige Projekt mit all seinen Irrtümern und Fehlern, Problemen und Gefahren ist nicht demokratisch beschlossen worden. Darum kämpfen wir Stuttgarter dagegen und sind guter Hoffnung, die - zuletzt von Architekten, die zum Teil den Ingenhoven-Bahnhof prämierten! - Besinnung zu erwirken zum Wohl der Stadt und des Landes.

Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Busch

eingestellt am 27.06.2010
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Frau Vogt hat mit einem Postbrief geantwortet, freundlich und sachlich. Sie hat die Erlaubnis gegeben, ihren Brief unter diesem Memory 12 zu veröffentlichen.