Zum Blog vom 22.07.2013
Dr. Christoph Engelhardt Hüterweg 12c 85748 Garching b. München 089 3207327 Pressekontakt: Joris Schoeller, 0172 7464418, presse@wikireal.org
Pressemitteilung Garching, 22.07.2013 Stuttgart 21-Lenkungskreis: Fehlende Leistungsfähigkeit
und nicht belastbare Kosten, – stellen Sie sich den Fakten!
1) Insider-Dokument: S21-Kostenplanung laut DB-Wirtschaftsprüfer nicht belastbar!
Morgen, Dienstag, den 23.07.2013 findet der nächste, schon drei Monate überfällige, Lenkungskreis zu Stuttgart 21 statt. Es soll die Kostenplanung besprochen werden, die jedoch laut einem noch nicht veröffentlichten Dokument des DB-Wirtschaftsprüfers Price- Waterhouse-Coopers (PWC) für die DB-Aufsichtsratsentscheidung vom 05.03.2013 in keiner Weise belastbar ist. Dem Aufsichtsrat waren Risiken und Kosten vorenthalten worden, die S21-Kostenplanung ist nicht testierfähig und ein auch nur im Ansatz professionelles Kostenmanagement ist nicht vorhanden: Dr. Christoph Engelhardt, Initiator von WikiReal.org:
„Die Lenkungskreis-Mitglieder dürfen sich zu den Investitionskosten nicht ebenso wie der DB-Aufsichtsrat mit Luftnummern täuschen lassen. Es muss eine testierte Kosten- planung eingefordert werden, ansonsten ist eine Diskussion der Kosten überflüssig.“
2) Internationale Fachleute bestätigen Leistungskritik, DB-nahe Experten schweigen
Die fehlende Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 muss im Lenkungskreis angesprochen werden, wurde aber noch nicht als Tagesordnungspunkt genannt. Nachdem zuletzt auch internationale Fachleute in einer Umfrage die wesentlichen Kritikpunkte an der Leistungs- fähigkeit bestätigten und teils die Annahmen als lächerlich bezeichneten, muss sich die Bahn dem Thema stellen. Die Umfrage zeigt auch, dass der von der DB AG abhängige Teil der deutschsprachigen Bahnwissenschaft bei dem Thema vollkommen verstummt. Engelhardt:
„Internationale Fachleute für die Kapazität von Bahninfrastruktur bestätigen jetzt die massiven Fehler in der Leistungsfähigkeitsbewertung der Planfeststellung und im Stresstest. Die Wahrheit des gravierenden Leistungsrückbaus kommt zu Tage, früher oder später, und dann sieht die ganze Welt auf einen milliardenschweren Schildbürgerstreich!“
3) Die Planfeststellung beruht auf Täuschung und einem kapitalen Missverständnis
Vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) sind mehrere Klagen gegen Planänderungen und eine Enteignung anhängig. Dr. Christoph Engelhardt steuert zu diesen Verfahren neue Analysen bei, die er am 11.07.2013 auch den Finanzierungspartnern der Deutschen Bahn AG zur Verfügung gestellt hat mit dem dringenden Ersuchen um inhaltliche Stellungnahme. Er weist nach, dass die bisherige Argumentation des Gerichts, die Leis- tungskritik an S21 sei schon im Urteil von 2006 hinreichend behandelt worden, unhaltbar ist:
„Wo das Gericht durch unvollständige und unrichtige Angaben getäuscht worden war, liegt unzweifelhaft nach Aufdeckung dieser Mängel eine neue Sachlage vor, wo es ent- scheidungserheblich Mittel- mit Spitzenwerten verwechselte, ist der Beschluss hinfällig.“
Der Schaden, den die milliardenteuere Schaffung eines Engpasses durch Stuttgart 21 für die verkehrliche und wirtschaftliche Zukunft von Baden-Württemberg bedeutet, ist immens.
„Verkehrsminister Hermann, Staatssekretär Rust, Oberbürgermeister Kuhn, veranlassen Sie die Bahn, sich im Lenkungskreis den Fakten zu stellen! Wenden Sie Schaden vom Land ab, beantragen Sie die Rücknahme der Planfeststellung und kündigen Sie sofort den Finanzierungsvertrag!“
Das Faktencheck-Portal
Nr. 3 / 2013
WikiReal Pressemitteilung Nr. 3 / 2013 Seite 2
Anhang: Hintergrundinformationen
1) Insider-Dokument: S21-Kostenplanung laut DB-Wirtschaftsprüfer nicht belastbar!
In Vorbereitung der Entscheidung über den Weiterbau von Stuttgart 21 vom 05.03.2013 hatte der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG für die Kostenplanung eine „Plausibili- tätsbegutachtung“ durch den Wirtschaftsprüfer PWC beauftragt. Das bisher nicht veröffentlichte Dokument von Ende Januar 2013 enthält extrem kritische Punkte:
- Ein Teil der Kostensteigerungen wurde dem AR vorenthalten! Die „Abweichungsliste“ mit Stand 08.10.2012 für den Aufsichtsrat weist einen „geringeren Datenumfang“ ggü. der vom 13.09.2012 für den Vorstand auf (§ 10, 11, 14 des PWC-Papiers).
- Die PWC-Arbeit ist gar keine Plausibilisierung, da sie sich allein auf die „von der DB AG zur Verfügung gestellten“ Unterlagen (lediglich 2 Abweichungslisten und 3 Präsentationen, § 10, 11) stützt, die nicht „verifiziert“ wurden. Es ist somit nur eine Konsistenzprüfung, die nicht prüfte, ob die Angaben richtig oder vollständig sind. Die Prüfer sehen ein „höheres Risiko“, dass "wesent- liche Fehler" und "rechtswidrige Handlungen" von der Prüfung nicht erfasst wurden (§ 4, 13)!
- Die Ermittlung der Kostensteigerungen und -risiken erfolgte in einer nicht revisionssicheren Excel-Liste (§ 21). Die Berechnung ist darüber hinaus unzulässig, denn sie verstößt gegen die "Grundsätze des Risikomanagements im DB AG-Konzern", speziell Risiko-Management- Richtlinie 224.0101 und Controlling-Handbuch Kap. 14 (§ 18): Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist nicht regelkonform abgebildet und somit nicht zum Gesamtwertumfang (GWU) hochzurechnen (§ 19/20, 23), die unabdingbare Überleitung ins Konzernreporting (§ 16) ist damit nicht möglich.
- Ein seriöses Kostenmanagement ist nicht vorhanden. Die Prüfer urteilen: "Die Voraussetzungen für ein möglichst geringes Nachtragsvolumen sind in der Projektorganisation des Großprojektes noch nicht etabliert“, mit „einem im Vergleich zum GWU erheblichen Nachtragsvolumen“ (mehrere Milliarden weitere Kostensteigerungen) ist zu rechnen (§ 24). Die für das Nachtragsmanagement nötigen Leute wurden nicht eingestellt (§ 25). Die Grundstücke sind noch nicht gesichert (§ 26-28), weitere Kosten für zu verlegende Leitungen wurden übersehen (§ 29, 30), Terminrisiken noch nicht bewertet (§ 31) und die Personalsituation ist kritisch (§ 32).
2) Internationale Fachleute bestätigen Leistungskritik, DB-nahe Experten schweigen
Im Zuge der Vorbereitung einer Veröffentlichung waren weltweit ausgewiesene Experten für die Kapazität von Bahn-Infrastruktur zu 13 Schlüsselargumenten befragt worden. Die aus allen Teilen der Welt antwortenden Fachleute bestätigten die Leistungskritik: Etwa, dass es nicht möglich ist, Wachstum mit einem Kapazitätsabbau unter den aktuellen Bedarf umsetzen zu wollen, und dass die Annahme lächerlich ist, in der Planung den Verkehr überwiegend in die Nacht zu verlagern. Sie stellen klar, dass natürlich die Spitzenstunde entscheidend für die Kapazität ist (und nicht die Züge am Tag, oder auch die „vertakteten Züge“), dass die Haltezeiten für den Fahrgastwechsel ausreichen müssen und dass wesentliche Annahmen im Stresstest methodisch falsch sind.
Die Leistungskritik wird damit von rund 20 internationalen Fachleuten gestützt. Ein einziger würde genügen, das Projekt grundlegend in Frage zu stellen. Siehe unten das Link zum Ergebnisbericht der Umfrage: „Railway Capacity Questionnaire, Results“ (auf Englisch).
WikiReal Pressemitteilung Nr. 3 / 2013 Seite 3
3) Die Planfeststellung beruht auf Täuschung und einem kapitalen Missverständnis
Der mit den Dokumenten der Planfeststellung geführte Nachweis, dass S21 die Kapazität auf rund 32 Züge pro Stunde limitiert, wogegen heute 38 Züge fahren und 50 % Wachstum geplant sind, wurde bis heute nicht entkräftet. Dagegen liegt die Kapazität des Kopfbahnhofs bei 50 Zügen. Die Bahn hat selbst vor Gericht kein Sachargument, verweist nur auf das Renommee ihrer Gutachter. – Mit deren Aussagen wird aber die Kritik wesentlich geführt.
Die Schlüsselargumente auch gegen den Stresstest werden inzwischen von internationalen Fachleuten bestätigt (siehe zuvor), wenn sie nicht ohnehin „unmittelbar nachvollziehbar“ sind. Insbesondere aber schafft die neu geführte Leistungskritik eine vollkommen „neue Sachlage“ seit dem VGH-Urteil von 2006, wo nachgewiesen wird, dass das Gericht durch unrichtige und unvollständige Angaben getäuscht worden war und wo nachgewiesen wird, dass Stuttgart 21 nicht nur weniger leisten wird als versprochen, sondern sogar weniger leisten wird, als dem heutigen Bedarf entspricht. Damit bewirkt das Projekt einen gravierenden Schaden für das Allgemeinwohl. Dies ist eine ganz neue Qualität und kann von dem Gericht nicht übergangen werden.
Die Argumentation wird zusammengefasst in dem Text für dem VGH Mannheim vom 24.06.2013 „Ergänzende Stellungnahme Leistungsfähigkeit S21“. Diese Ergebnisse wurden den Finanzierungspartnern am 11.07.2013 im Detail mitgeteilt (siehe die unten verlinkten Dokumente).
Teil der Darstellung ist auch die Analyse „Warum der Rückbau übersehen werden konnte“ (siehe unten). Engelhardt führt 25 Punkte auf, in denen die Gutachter gegen die Regeln der Technik verstoßen, dem Gericht Informationen vorenthalten und Prämissen, teils auf Anforderung der Bahn, fehlerhaft gewählt hatten. Die Baugenehmigung wurde durch unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt, sie beruht auch dort auf einem kapitalen Missverständnis, wo Mittel- und Spitzenwerte verwechselt wurden. Die absolute Leistungsgrenze von Stuttgart 21 von 32,8 Zügen wurde verschwiegen. Auch das Gutachten von Prof. Ullrich Martin von 2005, der einzige „Nachweis“ von Reserven im VGH-Urteil von 2006, wurde inzwischen nicht nur indirekt von der Bahn sondern auch ausdrücklich vom Gutachter selbst revidiert, was erneut die Baugenehmigung hinfällig macht.
Engelhardt: „Der Nachweis für den Leistungsrückbau durch Stuttgart 21 ist lückenlos und wird überwiegend mit den Originaldokumenten der Planfeststellung begründet. Die Beweise für eine gezielte und systematische Täuschung der Genehmigungsbehörden und des VGH in den Fragen der Leistungsfähigkeit sind erdrückend. Angesichts dieser Fakten ist es nicht zu verantworten, das Projekt weiter voranzutreiben. Das Ansehen der Region und der deutschen Ingenieurwissenschaft wird durch Stuttgart 21 nachhaltig beschädigt.“
Zitierte Dokumente zum Download
1) http://wikireal.info/w/images/4/4c/2013-07-11_Email_an_Finanzierungspartner_zu_VGH-Stellungnahme.pdf 2) http://wikireal.info/w/images/c/cc/2013-06-24_Ergänzende_Stellungnahme_Leistungsfähigkeit_S21.pdf 3) http://wikireal.info/w/images/4/4b/2013-06-24_S21,_Warum_der_Rückbau_übersehen_werden_konnte.pdf 4) http://wikireal.info/w/images/1/1c/2013-06-24_Railway_Capacity_Questionnaire,_Results.pdf
23 offene Fragen zu Stuttgart 21
2013-05-27 23 Fragen zu Stuttgart 21, V 1.0
Rede am 27. Mai Marktplatz Stuttgart „Ich bin empört!“
http://cams21.de/pressemitteilung-wikireal-sind-demokratie-und-rechtsstaat-wertlos/
Zum Blog vom 24. April 2013
Pressemitteilung Stuttgart 21: Das Bundesverfassungsgericht verschließt die Augen vor Grundrechtsverletzung!
Am 17.04.2013 beschloss das Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung des BVerfG, Begründung), die Verfassungsbeschwerde eines Anwohners gegen die im Zuge des Baus von Stuttgart 21 bevorstehende Enteignung nicht zur Entscheidung anzunehmen. Dieser Beschluss ist nicht nachvollziehbar und zeigt ein fragwürdiges Rechtsverständnis des obersten Gerichts. Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, dass die Argumente seines Eilantrags, die die Planrechtfertigung des Projekts in Frage stellen, vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim nicht gewürdigt worden waren.
Das Bundesverfassungsgericht begründete seinen Beschluss wesentlich mit dem Argument:
"Ob die Voraussetzungen für eine solche Aufhebung im konkreten Fall vorlagen, ist in erster Linie eine Frage der Würdigung des Sachverhalts und der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts, die nur in engen Grenzen verfassungsgerichtlicher Kontrolle zugänglich sind [...]. Für eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts ist hier nichts ersichtlich."
„Es ist erschütternd, dass das oberste Gericht ohne Begründung lediglich behauptet, eine Grundrechtsverletzung sei »nicht ersichtlich« und dabei die detaillierte Begründung in der Beschwerde übergeht. Insbesondere die entfallene Planrechtfertigung durch den Rückbau der Leistung des Tiefbahnhofs unter den Bedarf hatte schon der VGH nicht gewürdigt. Das Gericht verschließt seine Augen vor dem Grundrechtsverstoß, indem es denselben Fehler wiederholt.“ So Christoph Engelhardt, Initiator des Faktencheck-Portals WikiReal.org.
Der VGH hatte seinerzeit lediglich pauschal darauf verwiesen, dass ein möglicher planerischer Missgriff schon in seinem Urteil von 2006 thematisiert worden wäre. „Die jetzt neu vorgelegten Argumente können aber dort, wo sie nachweisen, dass der VGH in 2006 den Leistungsrückbau aufgrund unvollständiger Angaben der Gutachter und eigener Missverständnisse übersah, nicht schon damals berücksichtigt worden sein!“ merkt Engelhardt an, der die Analyse der Planfeststellungsgutachten verfasst hatte.
Der VGH hatte in der Abweisung des Eilantrags anerkannt, dass diese Analyse ein „neues Beweismittel“ darstellt. Gleichzeitig behauptet der VGH ohne Begründung im Einzelnen, dieser Beweis sei nicht „entscheidungserheblich“, es sei dadurch keine „neue Sachlage“ entstanden. Engelhardt: „Das ist nicht nachvollziehbar. Natürlich ist es eine neue Sachlage, wenn sich der Projektnutzen in einen Schaden für die Allgemeinheit verkehrt. Es ist, als würde in einem Mordfall behauptet, die DNA-Spur eines bis dahin nur vage Verdächtigen ist zwar ein neues Beweismittel, liefert aber keine neue Sachlage.“
Engelhardt abschließend: „Es ist in einem Rechtsstaat unvorstellbar, dass ein Anwohner enteignet werden soll für einen Bahnhof, der insbesondere auch laut Planfeststellung ein Rückbau auf rund 32 Züge pro Stunde ist. Damit kann der aktuelle Bedarf von 38 Zügen nicht mehr bewältigt werden, ganz abgesehen von dem mit Planfeststellung und Finanzierungsvertrag versprochenen Wachstum von rund 50 %. Die Schaffung eines milliardenteuren Engpasses im Schienenverkehr kann nicht die Basis für Enteignungen sein. Wenn das oberste Gericht nicht beide Augen verschlossen hätte, hätte es festgestellt, dass dies auch »ersichtlich« ist.“
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Dr. Christoph Engelhardt, Text der Rede auf der Montagsdemo vom 01.10.2012
(Die Formatierung hat große Mängel, die alle im unten stehenden pdf-Link verschwinden!)
2012-10-01 Engelhardt Rede Montagsdemo, 2-spaltig
Stuttgart 21 ist schon lange tot – und keiner hat’s gemerkt
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Stuttgart 21 ist schon lange tot – und keiner hat’s gemerkt!
Stuttgart 21 ist ein Rückbau der Leistungsfä- higkeit1 und damit nicht genehmigungsfähig, die Planrechtfertigung ist entfallen, eigentlich hat sie nie vorgelegen. Und trotzdem beschäftigen wir uns noch mit Planänderungen!? – In diesem Juni habe ich das Landesverkehrsministerium infor- miert,2 dass die Originalunterlagen der Planfest- stellung den Rückbau belegen. Im Juli haben wir eine Pressekonferenz dazu abgehalten.3 Eine Stellungnahme des Ministeriums gibt es dazu bisher nicht. Die „Begleitung“ des Projektes durch die Landesregierung ist so wenig kritisch wie die Bahn konstruktiv ist! Es ist Zeit, dass man sich der Wahrheit stellt.
Immer wieder wird die Volksabstimmung be- müht. Hat sie uns denn verboten, weiter hinzu- schauen, – hat sie uns das Denken untersagt? Viele gingen in der Volksabstimmung gerade von einer Leistungssteigerung durch S21 aus, – das ist auch Vertragsgrundlage im Finanzie- rungsvertrag und Grundlage der Planfeststellung. Ist dies nach der Volksabstimmung null und nichtig, darf jetzt jede Voraussetzung entfallen? Der Staatsgerichtshof hat die Falschinforma- tionen vor der Volksabstimmung durchgewun- ken, – die zur Leis-
Was ist denn überhaupt verbindlich in diesem Projekt, vor dem sich hohe Güter wie Denkmal- schutz, Mineralwasserschutz, Naturschutz, und Brandschutz in einem warmen Regen von Aus- nahmegenehmigungen auflösen? Was ist denn noch verbindlich, wenn selbst die vor einem Mil- lionenpublikum inszenierte Faktenschlichtung von 2010 ohne jede Relevanz ist! – Das Verwal- tungsgericht Stuttgart hat dazu festgestellt, dass die erzielten Vereinbarungen im „außerrechtli- chen Raum“ stehen, also nichts wert sind.5 So auch der Stresstest, er ist eine Showveranstaltung ohne einklagbare Leistungszusage6 und voller Fehler, die die Leistung übertreiben, wie wir auf WikiReal.org dokumentiert haben.
Was ist denn überhaupt verbindlich in dem Projekt Stuttgart 21? Wenn wir uns allein an- schauen, welche verschiedenen Leistungsfähig- keiten mit der größten Ernsthaftigkeit verspro- chen wurden (Abb. 1):7 35 Züge,8 39,9 44,10 49,11 51,12 60,10 7013 oder sogar rund 100 Zü- ge14 in der Spitzenstunde! Als Physiker kann ich da nur lachen! Wären die Ingenieurwissenschaf- ten so ungenau, könnten wir uns jede Planung sparen.
Der Öffentlichkeit gegenüber wurden voll- kommen unbelegte und haltlose Versprechungen gemacht.13 – Noch heute ist im Turmforum das
tungsfähigkeit sogar ohne jede Begründung in der Sache.4 Kann ein solcher Prozess der Desinformation über- haupt ein verbindli- ches Ergebnis liefern?
Dass Bürgerbeteili- gung ein hohles Wort ist, Beschäftigungsthe- rapie und reines Deckmäntelchen, wis- sen wir inzwischen. Und wir konnten es erneut sehen im Fil- derdialog, mit dem nur die zusätzlichen Kos- ten der ohnehin not- wendigen Umplanung
Abb. 1: Die offiziellen Leistungsfähigkeitsaussagen widersprechen sich gegenseitig. Die Gutachten von 1997 und 2005, die dem VGH-Urteil von 2006 zugrunde liegen, wie auch der Stresstest von 2011 liefern überhöhte Leistungswerte aufgrund zu op- timistischer Annahmen. Demgegenüber liegen alle unabhängigen Plausibilitätsab- schätzungen wie auch die möglichen Fehlerkorrekturen bei rund 32 Zügen pro Stunde. Dem Wert, auf den der Bahnhof 1997 tatsächlich in "Szenario A" ausgelegt worden war, der aber über alle Jahre verschleiert wurde.
abgewälzt sollten.
werden
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Abb. 2: Das unhaltbare Versprechen von der doppel- ten Leistung ggü. dem Kopfbahnhof wird auch heute noch verbreitet! Informationszentrum zu S21 im Turmforum, Stuttgart Hbf, Foto. 27.09.2012.
falsche Versprechen von der doppelten Leistung ggü. dem Kopfbahnhof zu lesen (Abb. 2)! – Der EU wurde gar die doppelte Kapazi- tät versprochen!14 Korrigiert wurden die-
se Aussagen nicht einmal, als die eigentli- chen Gutachten viel weniger Kapazität ermittelt hatten!
Und selbst diese Gutachten sind voller schwerer methodischer Fehler, die die Leistung schönrechnen: So wurde dort von 2 Minuten Haltezeit ausgegangen. Prof. Heimerl rechtfertigte das mit den Mindest- bzw. Mittelwerten in Deutsch- land. – Klein-Bimmlingen ist aber kein Maßstab für Stuttgart! In Stuttgart haben wir einen der höchsten Fahrgastwechsel in Deutschland,15 vergleichbar mit Köln oder Hannover – und dort hält praktisch kein Zug kürzer als 3 Minuten.16 Prof.
Martin hatte sogar Haltezeiten bis herab zu 1 Minute angesetzt.12 – Wird man bei S21 die Fahrgäste auffordern, zum Ein- und Ausstieg auch die Fenster zu benutzen?
Es ist unwissenschaftlich, – wenn für Stuttgart die Realität eines großen Umsteige- und Knoten- bahnhofs ignoriert wird. Und es ist auch schon früh kritisiert worden: 1994 von Prof. Schwan- häußer, der hatte eben die 3 Minuten Haltezeit zur Voraussetzung einer „zukunftssicheren Be- messung“ gemacht.8 Seine damalige Aussage entspricht maximal 30 Zügen für das, was jetzt gebaut wird. – Mir als Naturwissenschaftler ist es unbegreiflich, wie derselbe Professor diese klare Leistungsgrenze in späteren Jahren erst auf 39 Züge9 und dann sogar auf über 50 Züge17 erhö- hen konnte (Abb. 3)? – Nur einer dieser Werte kann richtig sein!
Abb. 4: Nachts mehr Züge als mittags! – Unsinn als Basis der Planfest- stellung. Das Betriebsprogramm für die Auslegung von Stuttgart 21 „Szenario A“ (je 2 Stunden Haupt- und Nebenverkehrszeit) bildet spürbar weniger Verkehr ab, als etwa der Fahrplan 1996 oder 2011. Werden die 530 Züge des zugehörigen Tagesprogramms „BVWB 2003“ auf den Tag verteilt, ergeben sich nachts mehr Züge als mittags.
Die Genehmigungsbehörde, der Verwaltungsgerichtshof, die Öffentlichkeit, die Parlamente und die Regierungen wurden getäuscht. Mit einem Betriebs- programm, das in der Spitzen- stunde deutlich weniger Leis- tung erbringt als der heutige Bahnhof, sollte nachgewiesen werden, dass im Tagespro- gramm ein gigantisches Wachs- tum von bis zu plus 80%18 möglich wäre!! Das setzt vo- raus, dass in der Nacht Unmen- gen (leerer) Züge fahren müss- ten (Abb. 4).19
Man hat noch weiter getrickst und die sogenannten Abstell- fahrten so gut wie abgeschafft
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Abb. 3: Dehnbarkeit einer gutachterlichen Aussage: Prof. Schwanhäußer erhöhte die Leistungsgrenze für S21 in zwei großen Schritten, ohne dass sich die Planung geändert hätte.
Abb. 5: Das „Kunststück“, dass ein hohes Wachstum an Reisen- den mit deutlich weniger Zügen bewältigt werden soll, gelang nur durch die weitgehende Reduktion der sogenannten Abstellfahrten. In den Stoßzeiten geht die Nachfrage vor allem in eine Richtung und aus Wirtschaftlichkeitsgründen müssen dann leere Züge abge- stellt oder bereitgestellt werden. Diese Abstellfahrten wurden in den Leistungsfähigkeitsgutachten entgegen dem Bedarf drastisch zurückgefahren. Man unterstellt dabei, dass zukünftig bspw. mor- gens nahezu so viele Leute nach Stuttgart hereinfahren wie heraus.
Diese Kritik wurde in das aktuelle VGH-Verfahren gegen den Hausabriss in der Sängerstraße eingebracht. Die Bahn bezog dazu Stellung, vermag aber kein einziges Sachargument vor- zubringen. Meine Kritik ist nicht ent- kräftet. Und auch das Gericht übergeht die sachliche Argumentation,23 wes- halb eine Anhörungsrüge eingereicht wurde, – und jetzt übrigens auch Ver- fassungsbeschwerde. Ich fordere, dass bei den Leistungsmanipulationen nicht weiter weggeschaut wird!
Noch ein Punkt ist mir wichtig: Wir S21-Kritiker werden häufig als Wut- bürger bezeichnet, oft abwertend, im Sinne einer „blinden Wut“. Unsere Wut kommt aber vom Hinschauen. Weil wir uns informiert haben und eine Meinung gebildet haben, sind wir wütend. – Sind die anderen alle die
(Abb. 5). D.h. man unterstellt, dass die Pendler, die etwa morgens nur nach Stuttgart hereinfahren wollen, sich bei S21 gleich wieder in den Zug setzen und nach Hause fahren, – nur damit die tollen Durchbindungen ausgelastet sind. All die- se Manipulationen sind ohne bahntechnisches Know-how, nur mittels Textvergleich und Grundschulmathematik aus den Originalunterla- gen zu entnehmen.
Was aber letztendlich bei meinen Analysen herauskam, schlägt dem Fass den Boden aus. Nur das sogenannte „Szenario A“ ist rechtlich relevant und nur im Kleingedruckten war zu fin- den, dass Stuttgart 21 von Anfang an auf nur 32 Züge in der Spitzenstunde ausgelegt war.20 Dies wurde all die Jahre verschleiert.
Der Kopfbahnhof dagegen kann 50 Züge in der Stunde!21 Damit ist die Planrechtfertigung entfallen. Daher fordere ich Verkehrsminister Hermann auf, die sofortige Kündigung des Fi- nanzierungsvertrags zu prüfen! Dort waren noch 50 % Verkehrswachstum zugesagt worden,22 was wir bekommen ist aber ein Kapazitätsminus von 30 %!
Einzelnachweise
1 http://www.wikireal.org/wiki/Stuttgart_21/Leistung
braven bzw. normalen Bürger? – Nein es gibt weitere Typen, nicht nur den Wutbürger. Ich las jetzt den Begriff „Dumpfbürger“. Dieser Typ Mensch glaubt, eine Meinung zu haben, ohne dass er sich eine zu bilden braucht. Er glaubt den Autoritäten, ohne zu hinterfragen. – Das ist be- quem. – Er glaubt Recht zu haben, weil er mit der Masse heult. Und dieser Typ spielt eine be- sonders große Rolle bei S21.
Ich sage: Benutzt euren Kopf für eure eigenen Gedanken. Das ist der Unterschied zwischen Konsum und Aufklärung, also selbstständigem Denken. Eine eigene Meinung muss man sich bilden, das ist Arbeit, man muss sich informieren und man muss Zweifel und Verunsicherung zu- lassen. Und: – Danach seine Meinung zu ändern, ist überhaupt keine Schande, es ist ein Zeichen von geistiger Aktivität. – Ich sage daher: Recht- haberei ist dumpf, Lernfähigkeit ist Trumpf!
Stuttgart 21 ist schon lange tot, – es wird Zeit, dass es jemand merkt! Es hilft nicht wegzu- schauen. Wollen wir die Zukunft gewinnen, müssen wir bereit sein, Fehler zu korrigieren.
Vielen Dank.
.de, „Presseerklärung WikiReal: Stuttgart 21 – Von Anfang an als Rückbau geplant!“. Siehe auch: Vor- trag C. Engelhardt vom 18.07.2012 in Waiblingen (fluegel.tv, schaeferweltweit.wordpress.com)
4 22.05.2012, Staatsgerichtshof, Beschlüsse vom 22.05.2012 (link), dort bes. GR (V) 1/12 (pdf), S. 3 f
5 Verwaltungsgericht Stuttgart, Verfahren Az. 5 K 405/12, S. 5 des Beschlusses. Bestätigt vom VGH im
2
Email vom 18.06.2012, 10:01 Uhr und Telefonate
3 18.07.2012, SWR Fernsehen, Landesschau aktuell 19:45 Uhr, „Zweifel an Leistungsfähigkeit“ (youtube). 18.07.2012, zvw.de, Waiblinger Kreiszei- tung: „Technikwunder Stuttgart 21“. 19.07.2012, stuttgarter-zeitung.de, „Neue Zweifel an Kapazität des Tiefbahnhofs“. 18.07.2012, bei-abriss-aufstand
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Beschwerdeverfahren 1 S 320/12, auch unter Bezug auf Ziffer 2 des Schlichterspruchs.
- 6 http://www.wikireal.org/wiki/Stuttgart_21/Stresstest
- 7 Ein wichtiger Vergleichswert ist die Auslegung des neuen Wiener Hauptbahnhofs (2. Säule von rechts), der gleich groß gebaut wird wie Stuttgart 21 (8 Glei- se im Fern- und Regionalverkehr) und auf nur 30 Züge in der Spitzenstunde ausgelegt ist. Wenn für Stuttgart 49 Züge und mehr geplant sind, was können dann die Stuttgarter so viel besser als die Wiener? S.a. C. M. Engelhardt, "Stuttgart 21: Leistung von Durchgangs- und Kopfbahnhöfen", in "Eisenbahn- Revue International", Heft 6/2011, S. 306-309 (pdf). http://www.wikireal.org/wiki/Stuttgart_21/Stresstest/ Plausibilisierung
- 8 Wulf Schwanhäußer, „Eisenbahnbetriebswissen- schaftliches Gutachten zur Kapazität des geplanten Bahnhofes Stuttgart Hbf Tief im Vergleich mit dem bestehenden Kopfbahnhof“, 11.1994
- 9 Wulf Schwanhäußer, „Stuttgart 21 Ergänzende be- triebliche Untersuchungen, Teil 3, Leistungsverhal- ten und Bemessung des geplanten Stuttgarter Haupt- bahnhofes und seiner Zulaufstrecken“, Verkehrswis- senschaftliches Institut der RWTH Aachen, 20.07.1997
- 10 44 Züge enthielt der konfliktträchtige Fahrplan der Faktenschlichtung und 60 Züge waren bei dem Aus- bau der Zuläufe angegeben worden (27.11.2010, 8. Tag der Faktenschlichtung, hier nicht näher bespro- chen, da auch nicht durch ein Gutachten oder eine Simulation belegt)
- 11 DB Netz AG, „Stresstest Stuttgart 21, Fahrplanro- bustheitsprüfung“, 30.06.2011 (pdf: Teil1, Teil2, Netzgrafik). SMA u. Partner AG, „Audit zur Be- triebsqualitätsüberprüfung Stuttgart 21“, 21.07.2011 (pdf)
- 12 Ullrich Martin et al. (VWI Verkehrswissenschaftli- ches Institut Stuttgart GmbH), „Vergleich der Leis- tungsfähigkeiten und des Leistungsverhaltens des neuen Durchgangsbahnhofes (S21) und einer Vari- ante umgestalteter Kopfbahnhof (K21) im Rahmen der Neugestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofes (Abschlussbericht).“ Veröffentlicht in: Landeshaupt- stadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart 21 – Diskurs, Stutt- gart 2007, S. 2287–2369 (pdf)
- 13 Projektmagazin 1998, S. 1: „... kann die Zahl der Ankünfte und Abfahrten in der Hauptverkehrszeit mehr als verdoppelt werden.“ Projektmagazin Früh- jahr 2002: „Mehr als doppelt so viel Züge wie bisher können den neuen Durchgangsbahnhof anfahren“. 10.2007, DB Infrastruktur ProjektBau, „Neubaupro- jekt Stuttgart – Ulm, Fragen und Antworten zum neuen Verkehrskonzept für Stuttgart und die Region“ (pdf, S. 4: „Stichwort Zukunftsfähigkeit: Der Durch- gangsbahnhof wird schon bei seiner Eröffnung die doppelte Leistungsfähigkeit des heutigen Haupt- bahnhofs haben.“
- 14 12.12.2008, Kommission der Europäischen Gemein- schaften, „Entscheidung über die Gewährung eines Zuschusses für eine Maßnahme bezüglich der Ge- währung eines Gemeinschaftszuschusses für Vorha-
15 Für den Regionalverkehr werden in Stuttgart 84 % Ziel- und Quellverkehr angegeben: 16.08.1995, Ant- wort der Bundesregierung, „Ziel- und Quellverkehr im Zusammenhang mit S21 (Bundestagsdrucksache 13/2161, pdf). Hieraus lässt sich abschätzen, dass die Anzahl der ein- und aussteigenden Personen (mit Umsteigern) rund 94 % der Reisenden beträgt.
16 Lediglich in Hannover gibt es tagsüber einen Zug mit 2 Min. Haltezeit, allerdings außerhalb der Hauptver- kehrszeit (Auswertung Fahrplan 2011)
17 21.02.2003, Wulf Schwanhäußer, „Entgegnungen auf die Einwendungen gegen das Projekt Stuttgart 21“, S. 24-31: Schwanhäußer führte einen „Spitzenfak- tor“ von 1,3 bis 1,6 ein, der angewendet auf seine in 1997 genannte Maximalkapazität von 39 Zügen pro Stunde auf 51 Züge oder mehr führt.
18 Noch in 1999 warb die DB-Projekt GmbH mit +50 % (Fernverkehr) bis +80 % (Nahverkehr) Kapazität. Später wurden ähnliche Verhältnisse durch nicht vergleichbare Zahlen suggeriert: PFB 1.1, S. 154
19 Planfeststellungsbeschluss (PFB 1.1, S. 203, 204) und Entscheid des VGH von 2006 (landesrecht- bw.de, Rn. 57-59) geben die Ganztageszahl des Be- triebsszenarios „BVWP 2003“ als Grundlage der Zukunftssicherheit an (entspr. Wachstum von rund +80 %18). Dass dieses Programm in „guter bis sehr guter Betriebsqualität“ abgewickelt werden kann, soll mit dem Stundenprogramm „Szenario A“ nach- gewiesen worden sein. Zusammengesetzt ergibt das, dass nachts mehr Züge fahren müssten als mittags..
20 Gerhard Heimerl, „Stuttgart 21 Ergänzende betrieb- liche Untersuchungen, Teil II, Kapazitätsreserven beim geplanten Stuttgarter Hauptbahnhof sowie beim Betriebskonzept Stuttgart 21“, 1997, Anl. 21-24
21 Vieregg Rössler GmbH, Ermittlung der Leistungsfä- higkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs in seiner heu- tigen Gleiskonfiguration – Abschlussbericht – 27.10. 2011 (pdf). 21.11.2011, NVBW, „Prüfung der Unter- suchung 'Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Stutt- garter Hauptbahnhofs in seiner heutigen Gleiskonfi- guration' der Vieregg-Rössler GmbH“ (pdf). 22.11. 2011, mvi.baden-wuerttemberg.de, „Kopfbahnhof könnte heute schon mehr Züge abwickeln als S 21“
22 „Betriebsszenario“, Anlage 3.2a Anhang 1 zum Fi- nanzierungsvertrag vom 02.04.2009, Ziff. 3.2, S. 6
23 20.08.2012, vghmannheim.de, „Stuttgart 21: Plan- feststellung für Talquerung mit neuem Hauptbahnhof hat Bestand; Eilantrag erfolglos“. 13.08.2012, VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 13.8.2012, 5 S 1200/12 (Urteilsbegründung)
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2012-10-01 Engelhardt Rede Montagsdemo, 2-spaltig
Dr. Christoph Engelhardt Hüterweg 12c 85748 Garching b. München
Ministerpräsident Winfried Kretschmann Staatsministerium Baden-Württemberg Richard-Wagner-Str. 15 70184 Stuttgart
Per Email an Winfried.Kretschmann@stm.bwl.de Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
München, 02.02.2012
für die Beantwortung des offenen Briefs der Parkschützer vom 30.12.2011 danke ich Ih- nen. Ich hatte den Brief mitunterzeichnet, weil auch ich gegen das Schaffen von Tatsa- chen bin, bevor die Grundlagen eines Projekts wie die Kosten, die Finanzierung und die Risiken abgeklärt sind. Zu den Risiken von Stuttgart 21 gehört auch das von WikiReal.org vertretene Thema des fehlerhaften Nachweises der Leistungsfähigkeit durch den Stresstest. Ihre auch an mich gerichtete Antwort bietet mir für dieses Thema noch weit mehr Anknüpfungspunkte.
Sie begründen das Fortschreiten der Bautätigkeit mit dem Votum der Volksabstim- mung. Die Bürger Baden-Württembergs waren aber nicht zutreffend und vollständig in- formiert (teilweise auch nicht rechtzeitig). In der von Ihnen so gelobten Informations- broschüre des Landes ist die Angabe der Ausstiegskosten durch ihren Koalitionspartner in einer Höhe von 1,5 Milliarden Euro schlichtweg kaufmännisch nicht begründbar (insbe- sondere aufgrund des enthaltenen Kostenpunkts der Rückabwicklung der Grundstücks- verkäufe). Dies ist eine gravierende und nicht entschuldbare Falschaussage, die nicht un- erheblich zur Verunsicherung der Bürger beigetragen haben wird.
Weiterhin war in der Broschüre auch von Ihrem Teil der Regierungskoalition angegeben worden, der Stresstest sei „bestanden“ worden (wenn auch mit Einschränkungen). Ihr Koalitionspartner formulierte: „S 21 hat den Stresstest bestanden und ist damit als leistungsfähiger Bahnknoten bestätigt worden.“ D.h. in der Volksabstimmung wird der Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 explizit mit dem Stresstest begründet.
Für den Stresstest hatte die Bahn angegeben, ihn auf Grundlage der Richtlinie 405 „Fahr- wegkapazität“ durchgeführt zu haben. Auf WikiReal.org (der Landesregierung schon am 17.10.2011 bekannt gemacht) wird in größter Detailtiefe nachgewiesen (und wurde bis- her von keiner Seite nachvollziehbar widerlegt), dass in der Durchführung des Stresstests vielfach gegen eindeutige Vorgaben der Richtlinie verstoßen wurde. Damit ist der Stress- test ungültig und auch die Grundlage der Volksabstimmung entfallen. Die Bahn hatte im Vorfeld rechtliche Schritte gegen WikiReal angedroht, dies aber nicht umgesetzt.
Für die Volksabstimmung kam eine beispiellose Desinformations-Kampagne (der Be- fürworterseite) erschwerend hinzu, in der der weit überhöhte Wert der Ausstiegskosten hervorgehoben wurde. Außerdem wurde behauptet, kein anderes Projekt würde unter dem enormen Mittelbedarf von Stuttgart 21 leiden. Sie wissen wie ich, dass jeder Euro
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nur einmal ausgegeben werden kann, und die Folge ist die unausweichliche finanzielle Austrocknung anderer vordringlicher Projekte, wie etwa zuletzt vom VCD dargestellt.
Die Fehlinformationen zur Volksabstimmung waren so gravierend, dass den 16 anhängi- gen Anfechtungen der Volksabstimmung durchaus eine Erfolgschance zugebilligt wer- den muss. Einzelne der Anfechtungen berufen sich explizit auf WikiReal. Und wie der Richter a.D. Dieter Reicherter treffend anmerkte, kann man sich schwerlich auf die Volks- abstimmung als Rechtfertigung der Umsetzung des Baus berufen, solange sie noch nicht mit einem Entscheid über die Anfechtungen Gültigkeit erlangt hat.
Man kann sich über Regeln der Vernunft und Verantwortlichkeit hinwegsetzen, etwa dass Baumaßnahmen durchgezogen werden (Südflügel und Schlosspark), die vom Baufortschritt noch gar nicht nötig sind, und deren vorgelagerte Bauschritte (Grundwas- sermanagement) noch gar nicht planfestgestellt sind, in einem Projekt, dessen Planrecht- fertigung (verkehrliche und betriebliche Vorteile, siehe unten) entfallen ist.
Unmöglich aber ist es, sich über die Gesetze der Mathematik hinwegzusetzen. Auch im Bahnwesen gibt es „Gesetze der Schwerkraft“, die die Leistungsfähigkeit von Bahnhöfen limitieren, und es unmöglich machen, dass Stuttgart 21 40-80 Prozent leistungsfähiger wird als vergleichbare Großbahnhöfe, die an der Kapazitätsgrenze operieren. Über Recht und Vernunft kann man sich hinwegsetzen, aber die Naturwissenschaft holt Stuttgart ein.
Stuttgart 21 würde bei Eröffnung weniger leisten als der heutige Bahnhof. Die Korrektur der Fehler im Stresstest führt auf lediglich rund 32 Züge in der Spitzenstunde, bei Über- lastung rund 38 Züge. Nur das Papier und die mit zu optimistischen Parametern gefütter- ten Computersimulationen sind geduldig, die Realität nicht. Zum Vergleich ist der im Re-
Gegenüberstellung der Angaben zur Leistungsfähigkeit des Hbf Stuttgart (Quelle: Wiki- Real). Sämtliche überhöhten Kapazitätsaussagen zu S21 hatten keinen Bestand. Die Be- rechnungen von 1997 sind konsistent mit aktuellen Plausibilitätsabschätzungen. Lediglich der Kopfbahnhof scheint für die Anforderungen der Zukunft gerüstet.
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gional- und Fernverkehr gleichgroß ausgelegte neue Hauptbahnhof in Wien, gemessen an Stuttgarts 49 Zügen, auf bescheidene ca. 30 Züge in der Spitzenstunde ausgelegt.
Am 24.11.2011 hatte ich Sie persönlich im Namen von WikiReal gemeinsam mit den Abgeordneten des baden-württembergischen Landtags über unsere seit dem 17.11.2011 in den Medien diskutierten Erkenntnisse informiert und aufgerufen, eine sub- stantielle Stellungnahme der Bahn und der SMA einzufordern. Die Kritik an den Fehlern im Stresstest war von dem renommierten Wiener Verkehrswissenschaftler Prof. Knofla- cher bestätigt worden. Bis heute habe ich hierauf keine Antwort erhalten.
Schon am 17. Oktober (!) 2011 (sechs Wochen vor der Volksabstimmung) hatte ich das Verkehrsministerium Baden-Württemberg über die Richtlinienverstöße im Stresstest informiert und auch danach wiederholt klar gemacht, dass die korrigierte Leis- tungsfähigkeit des Tiefbahnhofs regelkonform und realistisch modelliert deutlich unter der des heutigen Kopfbahnhofs liegen würde. Weder hat das Verkehrsministerium, soweit öffentlich bekannt, die bis heute unwiderlegten Kritikpunkte von WikiReal bewertet, noch wurden entkräftende Stellungnahmen der Bahn oder der SMA veröffentlicht. „Wegdu- cken“ ist angesichts von bahntechnisch eindeutigen Zusammenhängen, die den Rückbau der Kapazität belegen, keine überzeugende und der Verantwortung gegenüber der ver- kehrstechnischen Zukunft des Landes angemessene Strategie.
Sämtliche Planfeststellungsverfahren (z.B. PFA 1.1 S. 196/208) begründen das Projekt mit „verkehrlichen, betrieblichen und städtebaulichen Vorteilen“, d.h. mit dem Nutzen für das Allgemeinwohl. Durch den Rückbau der Kapazität entfallen aber die verkehrlichen und betrieblichen Vorteile. Damit entfällt für Stuttgart 21 die Planrechtfertigung. Bei den noch offenen PFA 1.3/1.6b wird dies den Betreibern auf die Füße fallen (siehe die WikiReal-Pressemitteilung dazu).
Auch der städtebauliche Vorteil entfällt, wenn der Kopfbahnhof nach Fertigstellung zu- mindest in Teilen erhalten bleiben muss, sei es um die Nachfrage der Stuttgarter Netz AG zu bedienen, oder eben weil Stuttgart 21 dann mit rund 35 Zügen pro Stunde das Na- delöhr ist, als das es nach allen Plausibilitätsabschätzungen und auch dem Gutachten etwa von Prof. Schwanhäußer von 1997 erscheint. Unverantwortlicherweise sieht die Bundesregierung es als ausreichend an (Antwort vom 16.12.2011 Bl. 89/90, s.a. Antwort vom 27.01.2012 Fragen 4, 12, 13), die Frage, ob Stuttgart 21 zu klein gerät, erst kurz vor Außerbetriebnahme des Kopfbahnhofs zu klären.
Angesichts des klaren Entfalls der Planrechtfertigung bedarf es keines S21-Kündigungs- gesetzes. Es ist die Verpflichtung der Landesregierung Kündigungsrechte auszuü- ben zur Abwendung von Schaden für das Land. Die Projektgrundlage (mind. ein Drittel Leistungssteigerung), unter der das Parlament der Finanzierung zustimmte, ist entfallen. Das Gutachten von Prof. Martin, das 2006 Grundlage der Entscheidung des VGH für Stuttgart 21 war, hat, wie auch in der Faktenschlichtung im Herbst 2010 klar wurde, kei- nen wissenschaftlichen Bestand, da mit Mindesthaltezeiten von 1 Minute operiert wurde und die Zulaufsituation nicht vollständig berücksichtigt wurde. Außerdem wurden die 51 Züge pro Stunde dieses Gutachtens jetzt durch den Stresstest widerlegt, der nur unter Verstoß gegen die Regeln der Kunst 49 Züge erreichte. Der bisherigen juristischen Basis von Stuttgart 21 ist somit die gutachterliche Grundlage entzogen.
Sie schreiben, dass es nicht um die Kategorien von Wahrheit und Lüge geht. Daraus spricht möglicherweise die Erfahrung des Politikers. Ich als Naturwissenschaftler weiß, dass es insbesondere in mathematischen Zusammenhängen eine eindeutige Wahrheit
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gibt. Über das Ergebnis von bspw. 4 × 8 kann keine Volksabstimmung entscheiden; wenn aus einer Summe mehrere Teilbeträge (leistungsrelevante Fehler im Stresstest) deutlich nach unten korrigiert werden müssen, dann sinkt das Ergebnis. Die 49 Züge des Stresstests wurden äußerst knapp erreicht (einzelne Ankünfte mussten in die Zählstunde verschoben werden, aus einem ICE wurden zwei Regionalzüge gemacht, zwei ICEs fahren hintereinander her). Es reicht, wenn sich nur einzelne der von WikiReal vorgebrachten Vorwürfe bestätigen, dass die Zusage vor dem Parlament gebrochen ist, was möglicher- weise die Erklärung für das Schweigen der Bahn und SMA in den letzten Monaten ist. In ihrer ersten Stellungnahme gegenüber der Stuttgarter Zeitung hatte die Bahn nach dem Verständnis von WikiReal schon in der Hälfte der Kritikpunkte weitgehend die Richtlinien- verstöße eingeräumt, die Entgegnung von WikiReal ist bis heute unwidersprochen.
Was viele Kritiker des Projekts Stuttgart 21 bewegt und was für eine drohende Demokra- tiemüdigkeit der Bürger wesentlich ist, ist der Aspekt der Unaufrichtigkeit. Indem die Bahn nicht bereit war, die Prämissen des Stresstests im Vorfeld festzulegen, sondern im Prozess anpassen wollte, „damit der Stresstest bestanden werde“, hatte sie praktisch schon eingestanden, was ihr von WikiReal vorgeworfen wird. Die Bahn hatte zum Stress- test vielfach Informationen zurückgehalten, sie hatte dargestellt, die Störungen durch die zufälligen Verspätungsspitzen abzubilden, diese aber im Verborgenen aus der Simulation herausgenommen, etc. pp. Und letztlich hatte sie falsch angegeben, regelkonform gear- beitet zu haben. Das ist keine Basis zur Begründung eines Milliardenprojekts.
Mit freundlichen Grüßen, Christoph Engelhardt
Stand der Diskussion: Aussagen der Bahn → Bewertung WikiReal. Sämtliche Fehler im Stresstest tragen entweder zur Leistungssteigerung (auf dem Papier) oder der Verde- ckung dieser Manipulationen bei. Die in Zügen abgeschätzte Kapazitätswirkung der Feh- ler lässt sich nicht einfach aufaddieren, – wird eine regelkonform und realistisch erreich- bare Leistungsfähigkeit zurückgerechnet, ergeben sich für S21 rund 32 Züge pro Stunde.
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