Beitrag zur MoDemo am 12.10.2015
„Hör ich was Böses, denk ich nicht hin...“
Zur Befindlichkeit vieler S21-Befürworter und resignierten S21 Gegner
Liebe Freundinnen und Freunde, ob jung oder in „alternder Frische“,
Wie oft schauen wir in arrogante Gesichter, wenn Leute einen unserer S21-kritischen Buttons sehen? Diese jeglichen Diskussionen um S21 aus dem Wege gehenden Menschen gehören entweder zu den Profiteuren des gewaltigen Investitions-Projekts oder es sind Menschen, die sich immer noch ihrers Unwissens über S21 erfreuen, über das angeblich bestgeplante und eigen(un)wirtschaftliche Abenteuer-Projekt der Bahn und der politisch weiterhin unterstützten Bau- und Finanzwirtschaft.
Von diesen Menschen will ich heute nicht reden. Diese Menschen haben wir (bis auf wenige Ausnahmen vielleicht) noch nie erreichen können.
Ins Blickfeld möchte ich heute zwei Gruppen nehmen, die ich auch kennengelernt habe:
Die eine von ihnen stand seit vielen Jahren S21 kritisch gegenüber. Ihre Ver-treter(innen) sind im Grunde Kritiker geblieben, aber angesichts der unübersehbaren baulichen Fortschritte sehen sie keinen Sinn mehr darin, in Opposition dagegen zu stehen. Ihre Äußerungen reichen von einem: Es hat doch keinen Zweck mehr, zu den MoDemos zu gehen, über ein: Die Volksabstimmung hat leider eine Mehrheit für das Projekt erbracht bis zu einem: Das Ding muß jetzt gebaut werden - in Ver-bindung mit der Formel: Man muß jetzt versuchen, das Beste daraus zu machen.
Was kann man denen antworten? Ich hab mir die Rhetorische Frage angewöhnt, ob es sinnvoll sei, dieses unsinnge Projekt durch unser Schweigen indirekt zu unterstützen? Unsere Kritik braucht weiter - undzwar wöchentlich - ein Podium und damit eine öffentlich präsente Opposition.
Die andere Gruppe von Menschen, die ich kennenlernte ist, wie ich finde, mittler-weile die größte Menschengruppe in unserer Stadt und im Lande: Es sind all die, die sich bewußt mit ihrem Halb-wissen über die beunruhigenden Wahrheiten von S21 abgefunden oder sogar zufrieden gestellt haben: Bleib mir weg mit S21, ich will damit nichts zu tun haben, so oder ähnlich sprechen sie und winken ab, sobald die Rede auf das kritische Thema kommt. Sie ahnen oder wissen schon um dieses höchst kritische Projekt der Bahn, wollen sich damit aber nicht belasten und halten sich deshalb aus jeglicher Diskussion heraus.
Ich hab lange gebraucht, diese Menschen zu verstehen, bis ich mich an ein Erlebnis erinnerte, das mir vor etwa 30 Jahren in Stuttgart zugestoßen ist:
Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause fiel mir ein Gerüst an einer Haus-fassade aus Sandstein auf, an der eine Stukkateurfirma tätig war, wie das Firmen-banner erkennen ließ. Ich schaute mir die Arbeiten näher an und mußte fesstellen, dass die Ergänzungs-Arbeiten nicht fachmännisch ausgeführt wurden. Daraufhin fragte ich mich bis zum Hauseigentümer durch, um den davon zu informieren, an seiner Fassade seien stümperhafte Reparaturarbeiten im Gange. Ich bot mich ihm als Zeuge für den Fall an, dass er sich irgendwann einmal mit dieser Handwerkerfirma vor Gericht streiten müsse.
Was meinen Sie wohl, wie dieser Mann auf mein Angebot reagiert hat?
Er hat sich nicht bei mir bedankt, er hat auch nicht meine angebotenen Persona-lien entgegen genommen – sondern er hat mir die Tür gewiesen!!
Völlig verdattert und kopfschüttelnd verließ ich damals sein Haus und fand - nach einiger Zeit – eine Erklärung für sein Handeln. Mit meiner unbequemen Bot-schaft war ich für ihn ein unwillkommener Störenfried! Er hatte mir die Tür gewie-sen, um sich seinen augenblicklichen Seelenfrieden zu erhalten, egal, was ihm später einmal blühen könnte...
Ich sehe in dem für mich befremdlichen Verhalten des unwilligen Hausbesitzers eine gute Vergleichbarkeit mit dem Verhalten meiner oben umschriebenen zweiten Gruppe, die ich hier der Einfachheit halber die „Ausblender“ oder die „Einsichts-Verweigerer“ nennen möchte.
Diese Leute haben keine Lust mehr, sich beunruhigen zu lassen oder weiter gegen S21 auf die Straße zu gehen.
Ich finde, sie verhalten sich damit wie Friederike Kempner, auch der sogen. „Schlesische Schwan“ genannt, sie lebte von 1828 bis 1904, die naiv-ernsthafte und oft auch unfreiwillig-komische Gedichte über ihre zeitgenössische Gesellschaft verfasste. An eines ihrer Gedichte hab ich mich spontan erinnert:
„Arglos und harmlos durchs Leben hin – kommt mir das Böse nicht in den Sinn
Arglos und harmlos glücklich ich bin – hör ich das Böse, denk ich nicht hin...“
Diese Haltung ist unsere nicht! Würde sie doch in Konsequenz dazu führen, dass die Arroganz der Macht völlig freie Bahn erhielte. Statt uns mit der Macht des Fakti-schen – es wird doch gebaut – abzufinden, legen wir weiter unsere Finger in die wunden Punkte des blamablen Großprojekts, an dem sich die CDU + FDP-Landes-regierung einschließlich der zustimmenden SPD versündigt haben. Diese Parteien müssen heute mit der Hypothek dieser schweren „Erbsünde“ leben und inzwischen auch die Landes-GRÜNEN, die den Seitenwechsel von ursprünglichen Gegnern des S21-Projektes aus Feigheit vor ihrem Koalitionspartner oder aus Machtinteresse vollzogen haben, ohne dabei schamrot zu werden.
In letzter Konsequenz sind, wie ich finde, alle die „Ausblender“ oder „Einsichts-Verweigerer“, die sich in die Passivität zurückgezogen haben - ob bewußt oder unbewußt - bereit, sich und ihre Mitmenschen betrügen zu lassen. Also sollten wir wachsam, kritisch - und – oben bleiben
========================================================================
Zwichenmoderation Montagsdemo am 1.September 2014:
Archäologie im Bereich der Baustelle im Schloßgarten
Bevor die Orion Tigers erneut zum Zwischenspiel auftreten, will ich Sie über die Archäologie im Bereich der Baustelle im Schloßgarten informieren. In den letzten Wochen war in den Zeitungsberichten widersprüchlich über die Aktivitäten der im Regierungspräsidium "eingebetteten" Archäologischen Denkmalpflege berichtet worden. Es blieb unklar, ob es dort eine gewissenhafte Erforschung des Untergrundes gibt oder nur eine Feigenblatt-Archäologie.
Auch meine Bilanz der Situation ist zwiespältig: Die beiden zutage getretenen archäologischen Befunde der aus großen Steinplatten gefügten Sohle eines offenen Kanals und der Böden ehemaliger Brennöfen sind nur zufällig beobachtete Funde. Diese werden jedoch, wie ich erfuhr, gewissenhaft dokumentiert.
Doch kann von einer gewissenhaften baubegleitenden archäologischen Erforschung des Baugeländes bisher keine Rede sein. Denn: Der Chef des Landesamtes für Denkmalpflege hat sich noch nicht für eine systematische Erforschung eingesetzt. Und die Baggerfahrer haben noch keine Anwei-sungen, irgendwelche Auffälligkeiten im Untergrund zu melden und in diesem Fall die Arbeiten wenigstens vorübergehend einzustellen.
Es fehlt also offensichtlich nicht nur auf Seiten der Bahn, sondern auch auf der Seite der vom Land selbst bestallten Denkmalpflegebehörden der Wille zu einer systematischen archäologischen Erforschung des Baugeländes. Haben diese Leute immer noch eine politische "Schere im Kopf"?
Das Mindeste wäre, ab sofort eine Fachkraft mit archäologischer Erfahrung als ständige Begleitung der aktuellen Aushubarbeiten zu bestellen, die für eine unverzügliche Prüfung des neuen sorgen könnte. Natürlich hat die Bauleitung Angst vor weiteren Verzögerungen ihrer Arbeiten an ihrer ersten Baugrube.
Für die Bahn noch besser wäre ein Zweites: Wenn die Beteiligten nach den unerwarteten Funden und Befunden sich entscheiden würden auf dem Gelände der nächsten Bauabschnitte Voruntersuchungen zu veranlassen, dann werden sich die befürchteten Zeitverzögerungen in Grenzen halten.
Wir sagen: Schluß mit dem Gemauschel und dem Herum-Eiern hinsichtlich der stadtgeschichtlichen Forschungen - und - handeln !!
===========================================
Dr. Norbert Bongartz, Oberkonservator i.R., Co-Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21
Demorede am 15.6.2014
Liebe unerschütterliche, nicht resignierende S21-Widerspenstige,
liebe „Ihr-werdet-uns-nicht-los“-Partner und Partnerinnen,
liebe Freundinnen und Freunde!
Ich begrüße Sie im Namen des Aktionsbündnisses gegen S21. Seien Sie uns herzlich willkommen zu unserer außerfahrplanmäßigen Samstags-Demo hier auf dem Schlossplatz.
Unsere Großdemos hatten bisher dann ein großes Echo, wenn am Bahnhof einmal wieder irgend-etwas Skandalöses geschehen war. Ein solches Aufreger-Ereignis gibt es derzeit bei S21 nicht. Ganz im Gegenteil: Alle Verantwortlichen sind derzeit konzertiert darum bemüht, das Konflikt-Thema unter der Tischplatte zu halten. Woran wir das erkennen können?
- Unsere Leitmedien sind einerseits voll von all den Skandalen, die das gleiche Strickmuster haben wie Stuttgart 21, von Euro-Hawk bis zum Großflughafen BER, ja bis zum Gezi-Park in Istanbul, der uns heute auch noch beschäftigt, wegen der vielen Vergleichbarkeiten.
- Aber hier, wo man die Konsequenzen aus alledem ziehen könnte, ja müsste, hält sich die Presse auffallend zurück. Es gibt nur dürre Worte über unsere Demos mit Tausenden Bürgern + Bürgerinnen, kaum abwägende eigene Auseinandersetzung mit all den weiter völlig ungeklärten Problemen des Projekts. Fast alle der Pressemitteilungen oder Stellungnahmen des Aktions-bündnisses oder der Parkschützer fanden eine Beachtung.
- An dem unseligen „Weiter so“ - als ob alles ,was bei S21 passiert, rechtens wäre - beteiligt sich auch unsere Justiz: Schweres Geschütz fährt sie auf gegen mutige Bürger, die sich friedlich wehren und traut sich nicht an die Großen ran: Ihre Verfahren werden auf die lange Bank ge-schoben, den berechtigten Betrugsvorwürfen weicht sie mit Winkelzügen aus. Mit hahne-büchenen Argumenten werden Verfahren eingestellt, so wie kürzlich die Strafanzeige des Ex-Richters Christoph Strecker gegen die 115 Mio von Berlin erschlichenen EU-Subventionen für S 21. Die abenteuerliche Begründung: Bei der Subvention sei es gar nicht auf eine höhere Leistungsfähigkeit des Tunnelbahnhofs angekommen!
- Auch die Landes-Politik tut alles, um S21 unter der Decke zu halten. Funkstille herrscht von den Tunnelparteien bis hin zu Kretschmann und Kuhn in der Kostenfrage, obwohl weiter völlig ungeklärt ist, wer die jetzigen und künftigen Mehrkosten letztlich zahlt. Es ist auch mehr als verdächtig, dass der Lenkungskreis kaum mehr tagt; er besteht wohl nur noch dem Namen nach. Obwohl längst hieb- und stichfest erwiesen ist, dass die angebliche Kapazitätssteigerung beim Tiefbahnhof eine einzige Betrugsgeschichte ist, wird hartnäckig dazu geschwiegen. Vor der Bundestagswahl sind fast alle Kandidaten bereit, Kreide zu fressen, um es sich mit keinem möglichen Koalitionspartner zu verderben.
In Berlin sieht es kaum anders aus: Nicht nur die Vertreter der Regierungskoalition, auch die Berliner Rot-Grünen halten sich bedeckt. Man will sich wohl allseits den Streit vom Hals halten, der die hiesige Landespolitik so arg strapaziert hat. Das Motto heißt wohl auch hier: Einfach weiter so, um Ärger zu vermeiden.
Wir demonstrieren daher heute aus dem Grund, dass die Verantwortlichen alle bisherigen konkreten Anlässe für eine Kurskorrektur unter den Teppich gekehrt haben. Sie versuchen sich durchzumogeln, an uns vorbei.
Ich meine: Je zweckloser sie unseren Widerstand erscheinen lassen wollen, umso sinnvoller und notwendiger ist er!
Wir wollen nicht tatenlos bei diesem „Einfach weiter so“ zusehen, das auf unsere Kosten geht und auf Kosten der Zukunft dieser Stadt und einer ökologischen Verkehrswende?
Wir haben es in Stuttgart mit dem derzeit schlimmsten der abschreckenden Infrastruk-tur- Projekte in Deutschland zu tun. Drum gilt für uns im Bundestags-Wahlkampf: Keine Unterstützung der S21-Drahtzieher, denn das verantwortungslose S-21-Prinzip findet sich bei vielen anderen Großprojekten in unserer Republik!
Das Strickmuster der jeweiligen Drahtzieher ist offenbar immer das Gleiche: Sie setzen Investoren- und Spekulanteninteressen über die Interessen des Gemeinwohls, sie manipulieren die Fakten, erschleichen sich den Baubeschluss mit niedrigen Kosten. Danach erreichen sie aufgrund teurer Fakten die angebliche oder tatsächliche Unumkehrbarkeit; es gibt ja genug Steuergelder, auch wenn diese anderswo fehlen werden, dreimal dürfen Sie raten, wo wohl?...
Wenn schon die mangelhafte Brandschutzsicherheit des geplanten Bahnhofs zu einer wenn nicht geplanten so doch nicht verhinderten Lebensgefährlichkeit dieses Neubauprojektes führt, so ist das allein schon aus diesem Grund nicht zu verantworten. Was die Stadt beim Fernsehturm anpacken mußte, muß beim Bahnhof mit gleicher Intensität geschehen!
Wir müssen also weiter beharrlich gegen das Blendwerk in unserer Stadt angehen. Das anfänglich vielleicht blendende Gedankenspiel, die Bahn in der Versenkung verschwinden zu lassen, wurde in derart blendend helle Visionen gekleidet, dass sich zu viele von diesem Projekt dauerhaft haben blenden lassen. Nachdem aber alle die inzwischen erkannten Schattenseiten des Murks-Projekts zutage getreten sind: Wie haben sie es nur geschafft, alles was gegen S21 spricht aus ihrem Bewusstsein auszublenden?? Wenn bei diesen Menschen die Selbstheilungskräfte offenbar verloren gegangen sind, so können und wollen wir denen zeigen, wie man unser krankes, längst nicht mehr legitimes Projekt und das ebenso kranke System kurieren könnte.
Wie genau wir das heute mit dieser Kundgebung, mit unseren Gästen, der Musik und der anschließenden Demo tun werden, erläutert uns gleich Nadja Stübiger, die schon bereit steht, Sie als Moderatorin durch unser Programm zu führen.
Vorher möchte ich mich im Namen des Aktionsbündnisses noch beim Demoteam bedanken. Es sind ja immer wieder andere Konstellationen und Personen, die planend voran gehen, die sich all die Arbeit machen, und dabei auch Frustrationen und Konflikte durchstehen müssen.
Danke diesmal auch an unseren Prominenten-Beirat, so nenne ich mal die Bekannteren unter uns, die verstärkt wurden von FreundInnen aus dem Montagsdemoteam und den aktiven Parkschützern und Parkschützerinnen.
So, und nun überlasse ich die Bühne Ihnen, Nadja...
Wir werden unbeugsam bleiben, aufrecht bleiben, oben bleiben!