Christoph Strecker
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11.06.2013
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HerrnWinfried Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg - persönlich -


Betr: Wie das Volk genasführt wird

Sehr geehrter Herr Minister Hermann,

zunächst bitte ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Büros inständig, auf dieses Schreiben nicht in eigener Machtvollkommenheit zu antworten, sondern es Ihnen vorzulegen.

Und Sie, Herr Minister, werden ebenso inständig gebeten, das Thema, um das es hier geht, nicht nur auf Ihre Behörde zu delegieren, sondern selbst ein paar Gedanken darauf zu verwenden und sich redlich zu fragen, ob Sie für das, was da geschieht, die Verantwortung übernehmen können und wollen:

Mit Schreiben der Leiterin Ihres Ministerbüros, Frau Annette Schäfer, vom 29. Mai 2013 hat das MVI auf das von Herrn Prof. Dr. Dieter Wolf an Sie gerichtete Schreiben vom 16. Mai geantwortet, in dem er Sie fragt, warum das MVI es mit wachsweichen Formulierungen vermeidet, sich zu dem offensichtlichen Rückbau, den das Projekt Stuttgart 21 bedeutet, klar zu äußern.

Diese Antwort ist von Herrn Professor Wolf an andere Interessierte weitergeleitet worden und auch mir zugegangen. Da ich zu dem gleichen Thema seit mittlerweile mehr als einem Jahr mit Ihrem Ministerium korrespondiere, fühle auch ich mich angesprochen.

Der Brief Ihres Ministerbüros vom 29. Mai hat im Wesentlichen den gleichen Inhalt wie frühere Schreiben von Herrn Schlotz-Pissarek und Herrn Bäumer an andere Empfänger, auch an mich.

Die Argumente in diesen Briefen aus Ihrem Ministerium machen mich fassungslos.

Obwohl im Text ausgeführt wird, dass der Bahnhof in Zukunft weniger leisten muss als der bisherige leisten kann, wird beteuert, es lasse sich nicht bestätigen, dass es um einen geplanten Rückbau handle. Da werden wir, die Empfänger der Briefe, zunächst belehrt, man müsse Leistung und Leistungsfähigkeit unterscheiden. Dann werden wir darüber informiert, dass es für den künftigen Bahnhof überhaupt nicht auf die Leistungsfähigkeit, sondern allein auf die gemäß Finanzierungsvertrag zu erbringende Leistung ankomme. Wer hierüber ungläubig staunt, wird belehrt, dass diese Dinge bereits in der „Faktenschlichtung ausführlich diskutiert“ worden und in den „Stresstest“ gemündet seien. Trotz dieser Diskussionen habe sich in der Volksabstimmung eine deutliche Mehrheit gegen die Kündigung der Finanzierungsverträge ausgesprochen.

Warum ich fassungslos bin, werde ich im Folgenden erläutern. Seit einigen Jahren sind wir hier einiges gewohnt. Neu ist aber, mit welcher Deutlichkeit und offenbar ohne alle Skrupel die von uns gewählte Landesregierung einräumt, das Volk an der Nase herumgeführt zu haben.

Versteckspiel – Schweigen als Verrat – Manipulierte Volksabstimmung – Volksabstimmung als Vorwand – Realitätsverleugnung – Die Abschaffung des Vertrauens – Die Aufkündigung der Redlichkeit


I. Versteckspiel
Nachdem Christoph Engelhardt bereits längst nachgewiesen hatte, dass der geplante Tiefbahnhof nicht mehr als 32 Züge pro Stunde werde leisten können, habe ich am 25. Mai 2012 unter der Überschrift „Personenstrom spült Wahrheit zutage“ die Personenstromanalyse veröffentlicht und aus ihr gefolgert, dass der geplante Tiefbahnhof überhaupt nicht 49, sondern nur 32 Züge pro Stunde bewältigen soll. Als niemand dieser Feststellung zu widersprechen schien, lag die Schlussfolgerung nahe, dass es sich hierbei wohl nicht nur um die Meinung unbelehrbarer Projektgegner handelt, sondern um den offiziellen Meinungsstand.

Um dies zu überprüfen, habe ich mich bei denen erkundigt, die es wissen oder an dieser Information interessiert sein müssten. Bezugnehmend auf die Personenstromanalyse habe ich angefragt, ob dort irgendwelche – möglicherweise gar durch Fakten untermauerte – Erwiderungen der Deutschen Bahn AG bekannt seien, aus denen sich ergebe, dass die angenommene Zahl von 32 Zügen pro Stunde in Wirklichkeit keinen Rückbau bedeute.

Die Liste derer, bei denen ich angefragt habe, ist lang. Darunter war natürlich auch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur.

Einige der Adressaten haben gar nicht geantwortet, einige haben mich auf bereits vorliegende Äußerungen der Deutschen Bahn verwiesen: Die FDP-Fraktion des Landtags hat mitgeteilt, das Kommunikationsbüro habe versichert, die Personenstromanalyse habe eine Erfüllung der Anforderun- gen ergeben. „Insofern“ sei „nicht von einem Rückbau auszugehen“. Die Gemeinderatsfraktionen der Grünen und der SPD haben auf eine Anhörung im Gemeinderat am 24.07.2012 Bezug genommen, bei welcher ein Vertreter der Bahn auf eine Anfrage der Grünen nach der Personenstromanalyse hin dar- gelegt hat, bei ihr gehe es nur darum, wie viel Zeit benötigt werde, um die Bahnsteige zu entleeren. Dafür komme es nicht auf die Zahl der Züge, sondern allein auf die Zahl von täglich 303.000 Personen an. Die gleiche Auffassung vertritt auch der Verband Region Stuttgart in seiner Antwort auf meine Anfrage.

Die Durth Roos Consulting GmbH sah sich im Hinblick auf ihre vertragliche Schweigepflicht nicht in der Lage, meine Frage zu beantworten, und hat mich an die Pressestelle der Bahn AG verwiesen. Dort wurde mir eine Antwort in Aussicht gestellt, die ich aber nie erhalten habe.

Das Eisenbahnbundesamt hat mir mitgeteilt, die Personenstromanalyse beziehe sich nur auf eine bestimmte Anzahl von Reisenden und nicht auf ein bestimmtes Betriebsprogramm. Bei den Zugzahlen handle es sich um ein „fiktives Betriebsprogramm“, sie seien nicht zwingend identisch mit den für den Stresstest und die weiteren Betriebssimulationen verwendeten Zugzahlen. Meine Rückfrage, weshalb es sich mit einem „fiktiven“ Betriebsprogramm zufrieden gebe und ob die Berechnungen auch bei 49 Zügen gelten würden, ist vom EBA nicht beantwortet worden.

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg hat meine Anfrage zuständigkeits- halber an das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur weitergeleitet. Von dort wurde mir eine Antwort für die Zeit nach der Sitzung des Lenkungskreises am 22. Oktober in Aussicht gestellt. Erhalten habe ich sie schließlich am 6. März 2013 in Form einer Mail von Herrn Oliver Schlotz- Pissarek. Das war mehr als 9 Monate nach meinem Schreiben vom 25. Mai 2012. Dabei wäre die Antwort, wie wir nun erfahren, sofort möglich gewesen.

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II. Schweigen als Verrat
Nun beruft sich das MVI in seinen Schreiben vom 6. März von Herrn Oliver Schlotz-Pissarek sowie denen vom 26. März und 7. Mai 2013 von Herrn Hartmut Bäumer auf die Rechtslage gemäß dem Finanzierungsvertrag, dem Planfeststellungsbeschluss und dessen Bestätigung durch den Verwal- tungsgerichtshof, wonach der Bahnknoten nur 30 Züge pro Stunde in der Hauptverkehrszeit leisten muss.

Diese Rechtslage war der im Jahre 2011 ins Amt gekommenen neuen Landesregierung schon im Mai 2011 bekannt. Von ihr haben wir das allerdings nicht erfahren. Allein dem unermüdlichen Einsatz von Dieter Reicherter und Gerd Meisel, die in tagelanger Arbeit auf der Grundlage des Informationsgesetzes im Staatsministerium Akten gesichtet haben, verdanken wir die Kenntnis eines Vermerks, der im MVI am 20.05.2011 für die Sitzung des Ministerrats am 24. Mai 2011 („Mündlicher Bericht des Ministers für Verkehr und Infrastruktur“) angefertigt wurde. Darin wird ausgeführt:

„Das Bemessungsprogramm von Stuttgart 21 sieht keinen Leistungszuwachs von 30 Prozent in der Spitzenstunde vor. Dementsprechend ist dies auch weder in den Planfeststellungsverfahren noch in den Finanzierungsverträgen vorgesehen.“ ... „Im Rahmen des Stresstestes sollen Anforderungen an die verkehrliche Leistungsfähigkeit des Projektes unterstellt werden, die vertraglich nicht vereinbart sind. Selbst wenn also der Stresstest ergibt, dass das Projekt erweitert werden müsste und dies erhebliche Kostensteigerungen verursachen würde, so wäre die DB rechtlich nicht verpflichtet, die aus den nicht vertragsgemäßen verkehrlichen Anforderungen resultierenden Erweiterungsmaßnahmen umzusetzen.“

Die Landesregierung lässt also sehenden Auges die Projektkritiker mutmaßen, argumentieren und sich abarbeiten, ohne durch einen Hinweis die Diskussion zu beenden und klarzustellen, dass es bei dem Projekt überhaupt nicht um die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs geht und die Bahn zu nicht mehr als 30 Zügen pro Stunde verpflichtet ist.

Immer war für das Projekt Stuttgart 21 mit dem Argument geworben worden, der bestehende Bahnhof stoße an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, sie werde beim neuen Bahnhof doppelt so groß sein. Hätte das Volk im Sommer 2011 gewusst, dass die Bahn zu nicht mehr verpflichtet ist als zur Herstellung eines Bahnhofs, der 30 Züge pro Stunde abfertigen soll – also ein Drittel weniger als der bisherige leisten kann -, wäre das Projekt Stuttgart 21 politisch nicht mehr durchsetzbar gewesen.

Nachdem die Grünen ihren Wahlerfolg nicht zuletzt ihren Versprechungen im Kampf gegen das Projekt Stuttgart 21 zu verdanken hatte, konnte von ihnen wohl erwarten werden, dass sie in der politischen Auseinandersetzung um Stuttgart 21 von solch einer entscheidenden Information Gebrauch gemacht hätten. Wurde sie stattdessen vor dem Volk verheimlicht, dann war das Verrat.


III. Manipulierte Volksabstimmung
In seinen Schreiben vom 26. März sowie vom 7. und 29. Mai 2013 behauptet das MVI, bei der Volksabstimmung habe sich „trotz dieser Diskussionen eine deutliche Mehrheit gegen die Kündigung der Finanzierungsverträge ausgesprochen“. Das ist unwahr. Diese Diskussion hat nämlich nie stattge- funden, sondern ist verweigert worden. In den „Informationen der Landesregierung zur Volks- abstimmung“ berief die SPD sich darauf, S 21 habe den Stresstest bestanden. Die Grünen begnügten sich mit dem Hinweis, das Projekt bleibe „weit hinter den Versprechen zurück“, der geplante Tief- bahnhof sei „bahntechnisch ein Nadelöhr“. Trotz aller Hinweise der Projektgegner war zu keiner Zeit vor dem März 2013 geschweige denn vor der Volksabstimmung seitens der Regierung die Rede davon, dass gemäß Finanzierungsvertrag und Planfeststellung nicht mehr als 30 Züge pro Stunde geschuldet werden. Das Abstimmungsergebnis beruhte eben nicht auf „dieser Diskussion“, sondern auf der Unkenntnis, in der das Volk von den Politikern bewusst gehalten wurde – und zwar auch von Kretschmann und Hermann.


IV. Volksabstimmung als Vorwand
Die Berufung auf die Volksabstimmung ist noch aus einem anderen Grunde ein Scheinargument.

Es ist nämlich gar nicht klar, worüber eigentlich abgestimmt worden ist. Die ursprüngliche Planung für Stuttgart 21 war Gegenstand der so genannten „Schlichtung“, die zahlreiche Mängel des geplanten
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Projekts offengelegt hat und als deren Ergebnis das modifizierte Projekt „Stuttgart 21 plus“ präsentiert wurde. Auch wenn es keine rechtliche Bindung erzeugen konnte, wurde doch in der Folgezeit und auch im Vorfeld der Volksabstimmung von allen Seiten so getan, als sei es allgemeiner Konsens.

Nach der Volksabstimmung verkündete Ministerpräsident Kretschmann, nun sei er an deren Ergebnis gebunden. Unklar bleibt aber der Inhalt seiner angeblichen Verpflichtung. Bei einem Gespräch mit Projektkritikern am 6. Februar 2012 im Stuttgarter Landtagsgebäude wurde Ministerpräsident Kretsch- mann gefragt, ob er sich durch die Volksabstimmung verpflichtet fühle, die ursprüngliche Planung „Stuttgart 21“ zu realisieren oder das modifizierte Konzept „Stuttgart 21 plus“. Er schaute seine fragen- den Kritiker wortlos an und blieb stumm.

Solange nicht eindeutig feststeht, was der Inhalt der Volksabstimmung war, bleibt die Berufung auf die Volksabstimmung inhaltsleer und ohne Sinn.


V. Realitätsverleugnung

Wer dem gesunden Menschenverstand Raum gibt, wird kaum daran vorbeikommen, dass auf den 16 Gleisen des Kopfbahnhofs mehr Züge abgefertigt werden können als auf den 8 Gleisen des geplanten Durchgangsbahnhofs. Im Laufe der rechtlichen Auseinandersetzungen haben Gutachter dem Tiefbahn- hof beträchtliche Reserven bestätigt, gleichzeitig hat die Deutsche Bahn behauptet, mehr als 37 Züge pro Stunde könne der Kopfbahnhof nicht leisten. Das Büro Vieregg und Rössler kam in einem Gutach- ten zu dem Ergebnis, dass der bestehende Kopfbahnhof 50 Züge pro Stunde und bei einer Verbesserung der Signaltechnik 56 Züge bewältigen könne. Das wurde von der Nahverkehrsgesellschaft Baden- Württemberg GmbH im Auftrag des MVI überprüft und in einem Gutachten vom 21.11.2011 bestätigt.

Bei dem schon erwähnten Gespräch mit Projektkritikern am 6. Februar 2012 im Stuttgarter Landtag beklagte Ministerpräsident Kretschmann, je mehr Gutachter sich äußerten, desto unklarer werde die Lage, weil dann ja geklärt werden müsse, welcher Gutachter Recht habe. Dieses Argument findet sich nun auch in den Schreiben des MVI. Die Behörde gibt sich in der kontroversen Diskussion am Ende mit ihrer angeblichen Unwissenheit zufrieden und teilt mit, die DB Netz AG habe „eine vertiefte Untersu- chung ... aber abgelehnt“.

Dabei wird unterschlagen, dass es nicht nur Gutachten gibt, sondern auch historische Erfahrungen. Egon Hopfenzitz, der ehemalige Leiter des Stuttgarter Hauptbahnhofs, hat bei vielen Veranstaltungen berichtet, dass in seiner Dienstzeit gelegentlich die genannten 56 und auch mehr Züge pro Stunde im Kopfbahnhof abgefertigt worden seien. Damit sind alle Gutachten widerlegt, die eine solche Leistungs- fähigkeit des Kopfbahnhofs bezweifeln.

Die Landesregierung ignoriert diese Information, beharrt auf ihrer angeblichen Unkenntnis und leitet hieraus die Befugnis her, in ihren Briefen und auf ihrer Homepage mitzuteilen, sie könne „einen geplanten Rückbau von Eisenbahnstruktur ... nicht bestätigen“.


VI. Die Abschaffung des Vertrauens

Seit Januar 2012 betont Ministerpräsident Kretschmann, durch das Ergebnis der Volksabstimmung sei nicht nur das Projekt Stuttgart 21 legitimiert; vielmehr sei er, der Ministerpräsident, nun verpflichtet, es auch durchzuführen, alles andere sei ein Rechtsbruch. Denen, die sich beschwerten, das Volk sei getäuscht worden, hielt er entgegen, jeder habe gewusst oder zumindest wissen können, worum es ging. Das Volk habe sich frei entscheiden können, welchen Behauptungen es Glauben schenken und welche es anzweifeln wolle.

Dass das Volk nicht nur von den bisherigen Regierungsparteien und der SPD mit falschen Informationen traktiert worden war, sondern jetzt bei der Volksabstimmung sowohl von der SPD als auch zusätzlich von den Grünen belogen wurde, spielt für Kretschmann offenbar keine Rolle. In Kurzfassung besagt seine Äußerung: Das Volk habe mit dem Wissen abgestimmt, dass es ohnehin belogen wird. Es habe mehrheitlich entschieden, welche Lügen es vorzieht.


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VII. Die Aufkündigung der Redlichkeit

In den genannten Schreiben werden wir darüber belehrt, man müsse „zunächst Leistung und Leistungs- fähigkeit unterscheiden“. Die im Finanzierungsvertrag versprochene Leistung liege „in der Tat bei 30 Zügen je Stunde“. Das seien „ca. 50 % mehr als der Status quo des Jahres 2001“. Die „Spitzenstunde“ habe „weder im Finanzierungsvertrag noch in der Planfeststellung eine Rolle gespielt“. Das alles sei aber keine Neuigkeit, sondern bereits in der Schlichtung und im Stresstest ausführlich diskutiert worden.

Diese Behauptung ist falsch. In den gesamten Protokollen der so genannten Schlichtung wird an keiner Stelle der Unterschied zwischen den beiden Begriffen „Leistungsfähigkeit“ und „Leistung“ thematisiert, und nirgendwo ist davon die Rede, dass es am Ende gar nicht auf die zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts Stuttgart 21 umstrittene Leistungsfähigkeit ankomme.

Im Schlichtungsverfahren hat der damalige Abgeordnete Winfried Kretschmann namens der Gegner des Projekts ausgeführt: „Es geht darum, ob es ein leistungsfähiges Projekt ist und ob dabei die Kosten und der Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Wir bezweifeln das. Das ist die Grund- kritik daran. Daraus ergibt sich, dass wir dieses Projekt infrage stellen müssen, wenn das so ist. Wir müssen dann prüfen, ob nicht andere Alternativen viel kostengünstiger sind und dieselben oder bessere Effekte erzielen.“ (S. 40 des Protokolls vom 26.11.2010). Die angebliche Diskussion über den Unter- schied zwischen Leistungsfähigkeit und Leistung hat auch nicht etwa in späteren Terminen der so genannten Schlichtung stattgefunden. Kretschmanns Wortbeitrag stammt vom vorletzten von insgesamt 9 Terminen.

Wenn allein die tatsächliche geplante Leistung eine Rolle spielt, die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs hingegen irrelevant ist, dann war das Projekt in der öffentlichen Darstellung und im Rahmen der so ge- nannten Schlichtung nur mit dieser feinsinnigen Begriffsverwirrung durchsetzbar, auf die kein gutgläu- biger Mensch je hätte kommen können. So etwas kann man machen. Damit wird aber eine elementare Grundlage allen Zusammenlebens aufgekündigt, nämlich die Redlichkeit in der Kommunikation, die es erst ermöglicht, sich auch über gegensätzliche Meinungen auszutauschen und sich auch im Konflikt zu verständigen.

Längst geht es nicht mehr „nur“ um einen Bahnhof, sondern um Grundlagen der politischen Kultur und der Demokratie.


Sehr geehrter Herr Minister Hermann, falls Sie diese Ausführungen nun selbst gelesen haben, werden Sie verstehen, dass wir Bürgerinnen und Bürger uns mit den bisherigen Antworten Ihres Ministeriums nicht abspeisen lassen können und werden! Wir lassen uns von unserer Regierung nicht zum Narren halten. Wir akzeptieren nicht die Abschaffung des Vertrauens und die Aufkündigung der Redlichkeit.

Jetzt bleibt uns nur noch die geringe Hoffnung, dass Ihnen vielleicht bisher entgangen sein könnte, welcher Schaden da in Ihrem Namen angerichtet wird. Dann wäre es höchste Zeit für ein klärendes Wort von Ihrer Seite – und für entsprechende Taten.

Auch wenn ich diesen Brief ausdrücklich an Sie persönlich adressiert habe, so ist er doch weder für Sie noch für mich eine Privatsache. Ich schreibe als einer von vielen Bürgern an einen uns allen verantwortlichen Minister. Deshalb werde ich den Brief und Ihre Antwort nicht für mich behalten, sondern weiter verbreiten.

Mit den besten Grüßen
Christoph Strecker